EXTRABLAU unterwegs: Festivalkritik Berlinfestival 2007 (Tag Eins/Freitag 27.07.)

Ein bisschen ungewohnt war es schon, denn das Berlinfestival liegt ein bisschen versteckt mitten in Berlin und nicht irgendwo in der Pampa. Kurz nachdem man am Hauptbahnhof die Invalidenstrasse überquert hat, landet man nach wenigen Schritten in der Seydlitzstraße, einer eher abgelegenen Nebenstraße, die ungefähr genauso weit wie der Bundestag vom Hauptbahnhof entfernt ist, selbstredend in der anderen Richtung. Das Berlinfestival zeigt sich am Freitag bei gutem Wetter. Hier bieten ein Sportplatz sowie das Gelände eines stillgelegten Freibades die Kulisse. Nachdem ich ein bisschen Zeit beim Mitte-Bummel verschwendet hatte, gelange ich erst gegen 18 Uhr zum Festivalgelände. So ärgere ich mich bei meiner Ankunft Erobique verpasst zu haben. Bei der ersten Inspektion sammelt das Gelände gerade durch den leicht morbiden Charme des ehemaligen Freibades viele Punkte bei meinem ganz subjektiven Festivaltest. Zudem veräußern viele kleine Stände ein breites Angebot an leckeren Essen und Trinken (guter Espresso und Kaffee; sowas ist leider selten!) zu fairen Preisen. Die Rahmenbedingungen sind perfekt. Ausdrücklich positiv sind zudem viele Liegestühle, die luxuriöses Sitzen gestatten. Da das Leben seine Tücken fällt ein wesentlicher Punkt allerdings negativ auf. An der Hauptbühne ist der Sound verdammt leise und für das aufgefahrene Line-Up durchaus unterdimensioniert. Hier lässt sich nun trefflich spekulieren warum: Anzunehmen wäre, dass die zentrale Regierungsviertellage sicher Grenzen bezüglich der Zeit (striktes Open-Air-Ende um 22 Uhr) sowie des Lärmpegels setzt. In Bühnennähe ist der Sound jedenfalls akzeptabel, einige Meter weiter weg ist es allerdings durchaus grenzwertig und das Konzertfeeling geht dabei aus meiner Sicht nicht unerheblich flöten. Während ich anfangs etwas ziellos über die Wiese stolpere, bieten Midlake ein angenehmes Konzert, wissen mich zugleich aber auch nicht wirklich in ihren Bann zu ziehen. Bei Peter, Bjorn und John ist es ähnlich, denn bis auf den Überhit "Young Folks" ist das alles sehr solide, mir allerdings auch zu gefällig. Zeitgleich gehen die hippen New Raver, deren Klamotten eine gewisse Bad-Taste-Affinität mehr als offenbaren, an der zweiten Bühne bei Shitdisco ab. So bleiben Tocotronic für mich die uneingeschränkten Headliner des Abends und der Rest ist nur Vorgeplänkel. Die Vier zeigen sich in guter Spiellaune, auch wenn hier der dünne Sound ihre Wirkung im Vergleich zur fulminanten Show beim Melt vor zwei Wochen deutlich einschränkt. So bleibt als Anekdote einzig anzumerken, wie selbstverständlich und kompromisslos Sänger Dirk von Lowtzow offensichtliche Unannehmlichkeiten des Business meistert. Nachdem sich anfangs die Fotografen vor der Bühne wahrlich makaber stapeln, beendet er dies ganz locker mit einem einzigen Satz: "Es wäre schön, wenn sich die FotografenInnen verpissen könnten, damit das Publikum was sehen kann (sinngemäß zitiert:)." Ohne zu murren verlässt die Fotomeute dann jedenfalls sofort den Bühnengraben. Respekt, daran werde ich mich sicher noch in Jahren erinnern und schmunzeln! Das unangepasst sein hat zum Ende selbst bei Tocotronic auch seine Grenzen, denn nach 70 Minuten inkl. zweier Zugaben, wobei das Wall-of-Sound-Rückkopplungs-Finale in Betracht des laschen Sounds etwas absurd wirkt, bleibt ein gutes Konzert zu vermelden. Punkt 22 Uhr ist dann Schluss und so geht es mich zurück zur S-Bahn. Das eh etwas träge Publikum (wobei ich mich nicht ausschliessen will) zieht genauso zügig ab. Die Aftershowparty, bei der New-Rave die Berliner Indiedisko-Standards trifft, schenke ich mir. Das ist einfach nicht mein Schuh!


Das Berlinfestival war sicher durch gute Bands und faire Preise gekennzeichnet, konnte in seiner dritten Ausgabe (ich spreche von Tag eins, denn Tag zwei war ich bereits wieder in Leipzig) allerdings wenig bieten, was andere mittelgroße Festivals nicht auch haben. So lässt es sich trefflich als eine solide Light-und-Misch-Version von Immergut und Melt etikettieren.

So war meine stets kritische Seele etwas enttäuscht, zugleich zwischendurch über ein Programmheft des GOLDMUND-FESTIVALS gefesselt. Dieses schafft am 04. Und 05. August schräge urbane Randgruppen-Konzert-Festival-Kultur, jenseits finanzieller Vernunft, wie man sie nur in einer Stadt wie Berlin finden kann. Mehr dazu bietet der folgende LINK zu Festival: http://www.goldmundfestival.kliklak.net/

PS: Goldmund => Streng limitierte Karten, geheime Locations und Künstler wie: Fog, Matt Elliott und Guido Möbius. (:

Kommentare

Spezialpeggy hat gesagt…
Hey, danke für den link über last.fm!
gehst du zum Goldmund? Habs aus Spontanitätsgründen nicht geschafft eine Karte und damit die Wegbeschreibung dort hin zu erwerben. Blog was, wenn du da warst und wieder da bist.

schöne Freude dann,
spezialpeggy.
Anonym hat gesagt…
habe noch ne karte über für das diesjärische goldmund in biesenthal
..falls interesse bitte mail an retusche@vr-web.de ...

honka honka